darf Surfen im Internet überwacht werden ?

30.12.2016 - Düsseldorf - Einem Fachanwalt für Strafrecht können Sie getrost die Frage stellen, ob das „Surf-Verhalten" einer Person im Internet für strafprozessuale Zwecke in Deutschland überwacht und aufgezeichnet werden darf. Immerhin greift eine derartige Maßnahme erheblich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein.

Die erstaunlich verhaltene Empörung im Jahre 2016 darüber, dass ausländische Nachrichtendienste offenbar flächendeckend Telekommunikation und Internetverkehr aus Deutschland aufzeichnen, betrifft ein anderes Thema, was nicht heißen soll, dass das skrupellose Treiben der Nachrichtendienste weniger bedrohlich oder eingriffsintensiv wäre. Aber hier wird nur die Frage behandelt, ob eine Aufzeichnung des „Surf-Verhaltens" einer Person im Internet für strafprozessuale Zwecke in Deutschland zulässig ist.

Das „Surfen“ im Internet ist keine Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen, sondern nur der Abruf von Informationen durch einen einzelnen Nutzer. Die strafprozessuale Rechtsprechung geht trotzdem davon aus, dass sich die für die Überwachung der Telekommunikation geschaffenen Tatbestände der §§ 100a ff. StPO auf das „Surfen“ im Internet anwenden lassen. Also dürfte nach § 100a Abs. 1 StPO auch ohne Wissen des Betroffenen sein „Surf-Verhalten" überwacht und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass er als Täter oder Teilnehmer eine schwere Straftat begangen hat und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre (§ 100a Abs. 1 StPO).

 

Düsseldorf, Fachanwalt Strafrecht zur Frage, ob das "Surfen" einer Person im Internet für strafprozessuale Zwecke überwacht werden darf

Die Anwendung der für die Überwachung der Telekommunikation geschaffenen rechtlichen Voraussetzungen auf das „Surfen“ darf nur auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Dies zumal wenn man bedenkt, dass die Anordnung sich im Grundsatz nur gegen den Beschuldigten richten darf (§ 100a Abs. 3 StPO). Das Ausschlusskriterium des § 100a Abs. 4 StPO muss die Strafverteidigung besonders im Auge behalten: Liegen nämlich tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach § 100a Abs. 1 StPO allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig.

 Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach § 100a Abs. 1 StPO erlangt wurden, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist aktenkundig zu machen.

 In der Literatur (vgl. Meinicke, DSRITB 2013, 967 m.w.Nw.) wird mit guter Begründung die Meinung vertreten, dass die Heranziehung der Norm des § 100a Abs. 1 StPO zur Überwachung sämtlicher Internetdaten eines Anschlusses auch gegen die Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur sog. „Online-Durchsuchung“ verstößt. In diesem Zusammenhang wird auch die Intensität des Eingriffs richtig gewichtet. Die Online-Überwachung des Surfens ist nichts anderes, als eine Form der Online-Durchsuchung – und diese ist im Strafprozessrecht nach unbestrittener Ansicht unzulässig.

 

 

 

 

 

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